350 Einsätze in einem Jahr. Davon 125 Brandeinsätze. Vom Flächenbrand über Autobrände bis hin zu Gebäudebränden wie dem Großeinsatz Anfang Mai, als eine Gewerbehalle komplett ausbrannte und die Einsatzkräfte tagelang beschäftigte. 180 Hilfeleistungseinsätze von der Türöffnung über die Tierrettung bis zur Unfallabsicherung. Und 45 Mal rückten die Einsatzkräfte der Feuerwehr Alzey aus, weil Gefahrstoffe ausgelaufen waren. Das Jahr 2023 ist das einsatzstärkste Jahr der Freiwilligen Feuerwehr Alzey. Dass die Zahl der gefahrenen Einsätze steigt, wundert Wehrleiter Joachim Ganz nicht. "Die Stadt wächst. Je mehr Einwohner und je mehr Gebäude, desto größer ist auch das Gefahrenpotenzial, das uns letztlich auf den Plan ruft. Das Problem ist: Alles um uns herum wächst, nur die Feuerwehr nicht", stellt der Alzeyer Wehrleiter bei der Jahreshauptversammlung der Feuerwehr unmissverständlich fest.
Auch der stellvertretende Wehrleiter Marcel Krusch hebt neben dem intensiven Ausbildungsjahr - allein sieben Ganztagsübungen, drei Gefahrstoff- und Objektübungen und zahlreiche Lehrgangsteilnehmer, die sich fort- und weitergebildet haben - die Zahl der gefahrenen Einsätze hervor: "350 Mal sind wir ausgerückt, das sind 71 Einsätze mehr als 2022. Das ist nicht wenig. Das ist sogar ziemlich viel. Vor allem, wenn man bedenkt, was jedes einzelne Mitglied sonst noch leistet", so Krusch. Denn: "Die Einsätze finden neben Beruf, Schule und Familie statt", weiß Krusch, der seinen Jahresbericht auch dazu nutzt, Danke zu sagen. "Wir sind eine junge und starke Truppe. Deshalb herzlichen Dank für alles, was im vergangenen Jahr 2023 geleistet wurde."
Am meisten zu tun hatten die Katastrophenschützer im August. Nicht weniger als 47 Mal wurde die Feuerwehr allein in diesem Monat gerufen. Insgesamt sieben Menschen wurden bei den verschiedenen Einsätzen, die von Unfällen bis hin zu Bränden reichten, im Laufe des Jahres gerettet. "Und genau dafür sind wir da - um Menschen zu helfen."
Ein besonderer Höhepunkt im Jahr 2023 der Feuerwehr Alzey war der erste Tag der offenen Tür in der neuen Feuerwache, die gar nicht mehr so neu ist, wie Wehrleiter Joachim Ganz erklärt. Schließlich ist die Feuerwehr schon seit 2019 in der Kreuznacher Straße 112 zu Hause. Und auch wenn aufgrund der neuen Gegebenheiten vor Ort der Ablauf der beliebten Veranstaltung etwas umorganisiert werden musste und das Wetter nicht ganz mitspielte, ist das Team um den Wehrleiter mit der Premiere sehr zufrieden. Mehr als 1000 Besucherinnen und Besucher kamen zum großen Sommerfest der Feuerwehr. Nur: "Leider hat der Tag der offenen Tür kein neues Mitglied in die Wehr gebracht", so Ganz.
Es ist die Entwicklung der Truppenstärke, die Ganz Sorgen bereitet. "Mit der neuen Wache haben wir mehr Platz, mehr Fahrzeuge, mehr Ausrüstung, um für alle Fälle und Herausforderungen gerüstet zu sein. Aber wir haben nicht mehr Leute. Das ist nicht gut", macht der Wehrführer deutlich. Zwar sind im vergangenen Jahr fünf neue Aktive hinzugekommen, gleichzeitig sind aber acht Feuerwehrleute aus dem Dienst ausgeschieden. Die Alzeyer Wehr bestand zum Jahreswechsel aus 48 Feuerwehrmännern und -frauen. Die Zahl der Einwohner liegt bei mehr als 20.000.
Gerade mit Blick auf die aktuelle Entwicklung verheißt die Personalentwicklung nichts Gutes. "Die Einsätze werden nicht weniger", ist Ganz überzeugt. Hinzu kommt, dass der Katastrophenschutz wieder in aller Munde ist. Naturereignisse von Flächenbränden bis Starkregen haben die Truppe in den vergangenen Jahren immer wieder gefordert und werden es auch in Zukunft tun. "Gleichzeitig sinkt die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren. Aber ohne die Bevölkerung geht es nunmal nicht", macht Ganz deutlich.
Damit sind nicht nur die Alzeyerinnen und Alzeyer gemeint, die sich als Feuerwehrfrauen und -männer für die Bevölkerung einsetzen. "Die Bevölkerung muss wieder mehr lernen, sich selbst zu helfen", sagt Ganz. Gerade im Hinblick auf Naturkatastrophen müsse sich die Zivilbevölkerung stärker selbst vorbereiten. "Sich für alles auf die Feuerwehr zu verlassen, funktioniert angesichts der Zahl der Einsatzkräfte nicht. Die Rundum-Sorglos-Mentalität der vergangenen Jahre ist nicht angebracht", sagt Ganz. Dennoch versichert er: "Wer Hilfe braucht, bekommt Hilfe."
Ein Grundsatz, der für die Bevölkerung ebenso gilt wie für die gesamte "Blaulichtfamilie" in der Stadt und darüber hinaus. "Wann immer Hilfe gebraucht wird, helfen und unterstützen wir uns gegenseitig", sagt Ganz. Wie zum Beispiel beim Großbrand im Alzeyer Industriegebiet im Mai 2023. Denn ohne die Einsatzkräfte aus den Stadtteilen und Nachbarkommunen wäre der Einsatz so nicht zu bewältigen gewesen. "Wir sitzen alle in einem Boot und müssen alle in die gleiche Richtung rudern. Unsere Ziele sind klar: Der Schutz der Bevölkerung. Der Schutz der Stadt. Und der Schutz der Einsatzkräfte."
Auch die Politik kennt die Sorgen der Truppe. "Das Ehrenamt muss entlastet werden", sagt der Beigeordnete Klaus Kübler. "Und das geht nur über mehr Schultern, auf die sich die Zahl der Einsätze verteilt." Ziel der Politik müsse es sein, die Menschen wieder mehr für das Ehrenamt im Allgemeinen, aber auch für die Feuerwehr im Besonderen zu begeistern, so der Beigeordnete. Eine Position, die auch Bürgermeister Steffen Jung vertritt. "Es ist wenig hilfreich, dass der Katastrophenschutz jahrelang Stück für Stück kaputtgespart wurde. Jetzt bauen wir ihn wieder auf. Das ist gut und wichtig. Aber was nützt die beste Ausrüstung für den Ernstfall, wenn die Leute fehlen", so Jung. "Die wichtigste Aufgabe der nächsten Jahre ist es deshalb, wieder Menschen für das Ehrenamt Feuerwehr zu gewinnen", so der Stadtchef weiter. "Die Alzeyerinnen und Alzeyer wissen, dass sie sich auf ihre Wehr verlassen können. Und das soll auch so bleiben. Dazu müssen wir aber weg von dieser Vollkaskomentalität. Nicht jedes Problem ist auch immer ein Fall für die Alzeyer Wehr".
Während man sich in der aktiven Mannschaft mehr helfende Hände wünscht, kann von Nachwuchsmangel in der Jugendfeuerwehr keine Rede sein, wie Jugendwart Erik Rinnus berichtet. Mit den derzeit 25 Kindern und Jugendlichen wurde auch im Jahr 2023 wieder viel unternommen, gelernt und geübt, so Rinnus weiter. Der Jugendwart ist sich sicher: Viele der Kinder und Jugendlichen werden auf diesem Weg für das Ehrenamt Feuerwehr begeistert und finden später den Weg in die aktive Wehr. Und so freuen sich Wehrleiter Joachim Ganz, der stellvertretende Wehrleiter Marcel Krusch und Bürgermeister Steffen Jung, dass gleich vier Beförderungen die Jahreshauptversammlung der Feuerwehr Alzey krönen. Kian Shahnematullahi, Philipp Biegler, Bennet Silinski und Erik Lumb wurden vom Feuerwehrmannanwärter zum Feuerwehrmann befördert und verstärken nun die Alzeyer Wehr.