Biber bieten große Chancen
Landrat Heiko Sippel begrüßte für den Landkreis Alzey-Worms die über 40 Teilnehmenden und gab einen Überblick über die Besonderheiten im Kreis sowie den bisherigen Verlauf der Selz-Renaturierung. Bachpate Wolfgang Hähnel schilderte die Situation an dem von ihm betreuten Selzabschnitt in der Gemeinde Schafhausen, an dem der Biber zu Hause ist. Er berichtete von seinen Erfahrungen und der Zusammenarbeit mit dem Selzverband, dem hier die Gewässerunterhaltung obliegt. Die von Hähnel gemachten Filmaufnahmen des in der Biberburg wohnenden Bibernachwuchs zeigten wenig bekannte Einblicke in die nachtaktive Welt der Biber - die angestammten heimischen Bewohner von Gewässersystemen.
Dr. Lutz Dalbeck von der Biologischen Station Düren in Nordrhein-Westfalen berichtete in seinem Fachvortrag von den Erfahrungen mit der Biber-Population im Hürtgenwald. Dieser Landschaftsbereich bietet bereits seit 40 Jahren eine geschützte Fläche zur Forschung an Biberpopulationen. Dr. Dalbeck zeigte die positive Auswirkungen von Bibern an Gewässern auf den Grundwasserhaushalt. Biber stauen nicht nur, sondern sie regeln bei Hochwasserspitzen den Wasserstand in ihrem Teich, indem sie zielgerichtet Hölzer ziehen und Wasser auch ablassen. Biberteiche mildern also Hochwasserspitzen, bieten andererseits in Trockenzeiten Lebensraum für Fische. Sie gewährleisten einen Niedrigwasserabfluss, wobei sie das Wasser kühlen. In vom Biber geprägten Gewässersystemen steigt die Artenvielfalt von Amphibien und Insekten, darunter seltenen Libellenarten, signifikant an. Eine optimale Wirkung zeigen Gewässer mit mehreren Biberrevieren von unterschiedlichem Alter und Entwicklungsgrad. Reviere, die verlassen werden, entwickeln sich zu naturschutzfachlich sehr hochwertigen Feuchtgebieten.
Ein besondere Rolle kommt den Fächen an Gewässern, den so genannten Gewässerrandstreifen zu. Diese würden dringend für eine ökologische Gewässerentwicklung benötigt. Sind diese vorhanden, entstehen durch den Biber bedeutend weniger Konflikte mit den Flächennutzern, wie Stefanie Venske vom Biberzentrum Rheinland-Pfalz betonte.
Der Gau-Odernheimer Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Heiner Illing schilderte die ständigen Abwägungsprozesse zwischen Landwirtschaft, Forsten und Gewässerentwicklung wobei er auf die historische und ökologische Bedeutung der Auenwälder an der Selz hinwies.
Eva-Maria Finsterbusch vom Landesamt für Umwelt erläuterte in ihrem Fachvortrag die herausragende Rolle der Ufergehölze. Deren Beschattungswirkung sei absolut notwendig, um die Wassertemperatur von Gewässern so zu senken, dass Gewässerlebewesen auch in Zeiten des Klimawandels überleben könnten. Gehölze wirken zudem bremsend auf den Wasserabfluss und halten bei Hochwasser und Starkregen nicht nur Wasser sondern auch Schwemmgut zurück. Ufergehölze zu belassen oder neu zu pflanzen sei damit eine wichtige Klimaanpassungsstrategie.
Die Exkursion an den Biberteich zeigte, wie sich eine Gewässerlandschaft in relativ kurzer Zeit naturnah verändert. Viele Wasservögel finden auf der Feuchtfläche wieder Lebensraum. Der Bereich wird für die Naherholung gut genutzt.
Hintergrund
In Rheinland-Pfalz arbeiten derzeit etwa 720 ehrenamtliche Bachpatenschaften tatkräftig am Schutz und der ökologischen Verbesserung ihres Bachs und betreuen dabei rund 2.760 Kilometer Gewässer. Seit 2017 bietet das LfU engagierten Helferinnen und Helfer Bachpatentage an. Deren Ziel ist es, sich kennen zu lernen und auszutauschen, mit Expertinnen und Experten zu diskutieren und praktische Tipps und Anwendungen mit nach Hause an den Bach zu nehmen. Nach Fachvorträgen und Austausch am Vormittag führen Exkursionen nach dem Mittagsimbiss zum Patengewässer der ausrichtenden Bachpatenschaften. Die Fachreferentinnen und -referenten begleiten diese Ausflüge.